Sakrale Bildräume Sonntag, 17. Juni 1995
KÜSNACHT - Der seit kurzem in Stäfa lebende Maler Wilhelm Jaeger ist Gast im Küsnachter Höchhuus. Für einmal hat er sich ganz auf grossformatige Filzstiftzeichnungen auf Papier konzentriert. Der 54jährige Maler kann mit keiner der üblichen, vereinfachenden Etikettierungen schubladisiert werden. Er lässt sich weder den Konstruktiven zuordnen, noch den Surrealisten. Sein Biograf John Matheson nennt ihn einen Grenzgänger zwischen den beiden Polen, weil er dialektisch sowohl die eine wie die andere Richtung verarbeite. 10 der insgesamt 15 im Höchhuus ausgestellten grossen Zeichnungen sind 1993 für eine Ausstellung in der italienischen Kirche San Severino Marche entstanden. Anschliessend wurden sie zu Beginn dieses Jahres in der Galerie im Zimmermann-Haus in Brugg gezeigt. Die kleineren Zeichnungen hat der Maler erst in den letzten Wochen als Ergänzung für die Ausstellung im Höchhuus gemalt. Es ist das erstemal, dass Jaeger nur schwarzweisse Zeichnungen ausstellt, sonst malt er fast ausschliesslich Bilder, die dick mit Farbe bedeckt sind. Doch für die aktuelle Ausstellung war es ihm wichtig, Ruhe einkehren zu lassen und sich auf die
Filzstiftzeichnungen zu konzentrieren. Die in Küsnacht ausgestellten dunklen Werke empfindet er wie einen erratischen Block in seinem Gesamtwerk. Die 200x200 Zentimeter grossen Zeichnungen dominieren die Wände auf beiden Etagen. Räumlich gesehen wirken sie wie strenge Architekturmalerei. Jedes Blatt zeigt eine andere räumliche Konstruktion. Sie beeindrucken nicht nur durch die strengen Perspektiven, sondern auch durch die Inhalte. Die grossen Formate, die Jaeger nur am Boden ausführen kann, wirken meist sakral. Sie erinnern an hohe Kirchenräume, in denen Licht und Dunkel ein geheimnisvolles Nebeneinander leben. Aber auch die Perspektiven innerhalb des Blattes sind verschieden. Er richtet seinen Blick einmal von rechts und dann wieder von links auf die Objekte, so dass sie fast aus dem Gleichgewicht zu geraten scheinen. Türme, Säulen, Nischen, ein Taufbecken, Steine verdichten sich zu Bildern von grosser räumlicher Plastizität. Die zu den zehn Kirchenbildern angefertigten kleineren Formate wirken trotz Verwendung der gleichen Technik spielerischer und losgelöster. Sie wirken wie verhaltene Stilleben, mal kommt ein Buch darin vor, oder ein Brot auf einem Teller, ein Krug oder ein Fisch.
Einzelgänger zwischen den Kunstfronten
Wilhelm Jaeger ist ein Einzelgänger zwischen den Kunstfronten. Seiner professionellen Ausbildung an der Kunstgewerbeschule in Zürich und einem Vorkurs beim Bildhauer Ernst Gubler schloss sich die Ausbildung zum Textilentwerfer bei Johannes Itten an. Während seines zehn Jahre dauernden Aufenthaltes in Como besucht er auch Kurse an der Kunstschule für Bildkopien nach alten Gemälden. Verschiedene Kunststipendien öffneten ihm den Weg ins Ausland, vor allem nach Deutschland, wo er als interessanter Vertreter einer progressiven Schweizer Szene vorgestellt wird. Sein Auftritt im Höchhuus ist der erste am rechten Zürichseeufer. Lohnend wird es für Besucher sein, sich mit Jaegers Bilder auseinanderzusetzen, diese gewissermassen zu dechiffrieren.
Bis 2. Juli. Geöffnet Freitag 16 bis 19 Uhr,
Samstag und Sonntag 11 bis 13 Uhr und 14 bis 17 Uhr.
hwr.
© Zürichsee-Zeitung / Allgemeiner Anzeiger / Grenzpost / Zürichsee
Kunstmuseum Thun 9. Februar 1995
Raum XIV
Die neuen Erwerbungen sind in einem anderen Saal vereint, und zwar ohne einen scheinbaren Zusammenhang. Doch unter dem gemeinsamen Nenner Photographie verbergen sich beispielsweise drei ganz verschiedene Absichten: Inszenierte Photographie von Herbert Distel, gekonnte Farbkomposition von Philipp Delaquis, oder eine unkonventionelle Reisereportage von Christian Helmle. Die malerischen Werke von Burkhard Hilty und Wilhelm Jaeger bilden trotz verschiedenen künstlerischen Auffassungen eine Einheit. Das Lebenswerk von Ernst Schneider manifestiert sich in einer Plastik und zwei Zeichnungen. Und bei Jakob Jenzer können wir eine empfindsam beobachtete zeichnerische Umsetzung seiner Erlebnisse in Rom herauslesen.
© Kunstmuseum Thun
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