Wie alte Bekannte Donnerstag 30. Januar 1997
Wilhelm Jaeger in Herrliberg
In Wilhelm Jaegers monumentalen «Architekturlandschaften» verbinden sich Realismus und Symbolik, konstruktiver Bildaufbau und «wilde» Malerei.
Wie alte Bekannte in einer neuen Umgebung nehmen die Baukörper Platz im Bild. Sie sind auf etwas Abstand bedacht, und doch laufen unsichtbare Fäden vom einen zum andern. Kaum einer, der nicht eine lange Geschichte zu erzählen hätte: vom Bauen als Konstruieren, als Raumbilden und -begrenzen, vom Bauen als Zeichensetzen und Traditionschaffen. Ihrer Form nach sind Kubus, Turm, Balkengerüst, Kuppel, Bogen, Tor strenge, in sich gekehrte Gesprächspartner, die Farbe aber lässt sie laut und unruhig werden. Leuchtende Kontraste regen sich gegenseitig an, heftige Pinselschläge gestikulieren nach allen Seiten. Auffallend ist die Monumentalität der Bilder, auch wenn die Formate der Zyklen, die der 56jährige Zürcher Maler aus seinem neuen Lebensort Lodrino im Tessin mitgebracht hat, von früher gigantischen Ausmassen mehrheitlich auf Normalgrösse geschrumpft sind. Wie wuchtige Barrieren wirken seine überdimensionierten Stalltüren: braune Balkengefüge, die, halb durchlässig, den Blick freigeben auf den Raum dahinter. Doch im nebulösen gelben Hintergrund findet sich nichts, genausowenig wie vor dem Türabschluss. Wozu die beiden Wächterfiguren, das Menschenpaar am Tor? Ihre Präsenz macht sie zu Mitwissern. Jaeger schöpft aus der Kulturgeschichte von der Antike bis zum Mittelalter, und er bekennt sich freimütig zu seinem Hang zum Sakralen. Dass Architektur immer mit dem Menschen zu tun hat, macht seine Bilder aktuell. (bhs.)
Galerie Vogtei Herrliberg, bis I6. Februar. Öffnungszeiten:
Do 19-21, Sa 10-12, So 10.30-12.30 Uhr
© Tages-Anzeiger
Herrliberg: Galerie Vogtei zeigt Jaeger
Donnerstag 6. Februar 1997
Die Galerie Vogtei zeigt Malereien des "ausgewanderten" Wilhelm Jaeger
Einzelgänger zwischen den Fronten
HERRLIBERG - Die Galerie Vogtei zeigt Werke des Malers Wilhelm Jaeger. Mit seinen Acryl/Latex-Leinwänden setzt der neuerdings ins Tessin «ausgewanderte» Künstler kraftvolle Zeichen in einer Welt der Malerei, in der schon längere Zeit wenig aufregend Neues zu entstehen scheint. Der Kunstkritiker Fritz Billeter verglich ihn vor ein paar Jahren anlässlich Jaegers Ausstellung im Kunstmuseum Thun mit dem Amerikaner Jackson Pollock. Ein Künstler, dem wie Jaeger das Malen auch physischen Kraftakt und grosse Gebärde bedeutete. Wie Pollock breitet auch er die Leinwände am Boden aus, so dass er sich fast körperlich in jedes Bild einarbeitet. Dass Jaeger immer wieder von gerade Geschaffenem abweicht, zeigt seine aktuelle Ausstellung. Vor fast zwei Jahren hat er im Küsnachter Höchhuus noch grossformatige Schwarzweiss-Zeichnungen präsentiert, die er für eine Ausstellung in der italienischen Kirche San Severino Marche gemalt hatte. In der Vogtei dagegen zeigt er kraftvolle Acrylwerke, wobei kraftvoll sich ebenso auf die Darstellung wie auf den Umgang mit der Farbe bezieht. Schicht um Schicht legt er diese bedächtig auf die Leinwand, über eine lange Zeit hinweg. Daher treten die Bilder dem Betrachter mit einer starken physischen Präsenz gegenüber.
Die meisten davon stammen aus den letzten drei Jahren und symbolisieren die wesentlichen Dinge, von denen Jaeger geprägt ist: die Gegend um Ancona in Italien und die Architektur. Dominierend ist immer die klare Bildaufteilung und die Kraft der leuchtenden wie nach innen gekehrten Farben und Linien. Die konstruktiven Bildinhalte erinnern gelegentlich an peinlich genau aneinandergereihte oder aufgetürmte farbige Holzklötzchen und Würfel aus den Baukästen der Kindheit. Durch ihre klare Anordnung entsteht eine gewisse
Strenge, die jedoch immer entschärft wird durch das Blau des Meeres, das häufig hindurchbricht. Jaeger ist ein Einzelgänger zwischen den Kunstfronten. Einer, der trotzig und gleichzeitig selbstbewusst zu sich und seiner Arbeit steht. Da ist nichts von Anpassung zu spüren, kein Buhlen um die Gunst des Publikums. Auch wenn er auf eine klassische, professionelle Ausbildung zurückblicken kann, mit Besuch der Zürcher Kunstgewerbeschule, einem Vorkurs beim Bildhauer Ernst Gubler und beim Textilentwerfer Johannes Itten, ja zuletzt gefolgt von Kursen für Bildkopien nach alten Gemälden, hat er sich nie in die Nähe des gefälligen Kopierens irgendeiner Stilrichtung begeben. hwr.
Bis 16. Februar 1997, Geöffnet Donnerstag 19 bis 21 Uhr, Samstag 10 bis 12 und Sonntag 10.30 - 12.30 Uhr
© Zürichsee-Zeitung / Allgemeiner Anzeiger / Grenzpost
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