Ausstellung Wilhelm Jaeger und Christoph Storz im Kunsthaus Aarau 27. März 1986
na. AARAU - Es scheint sich einzubürgern: Seit Anfang Jahr finden im Kunsthaus Aarau lauter Deutschschweizer Premieren statt. Die beiden Welschen Rivier und Mosset waren nie zuvor in der deutschsprachigen Schweiz gezeigt worden und auch die Präsentation für Wilhelm Jaeger und Christoph Storz (geboren 1952) sind Schweizer «Uraufführungen». Und es wird so weitergehen mit Ausstellungen für Klaudia Schifferle, Felix Stephan Huber, Beat Streuli, Aldo Solari, Erich Busslinger, Rudolf Hürdi im Laufe des Jahres. Der neue Konservator, Beat Wismer, verrät Stück um Stück sein Konzept.
Die am vergangenen Freitag eröffnete Schau ist erneut eine «Konfrontation», eine Ausstellungsform, die auch Heiny Widmer seinerzeit an den Anfang seiner Kunsthaus-Zeit stellte. Konfrontiert werden Malerei und Zeichnung der 80er Jahre. Während Wilhelm Jäger (geboren 1941) sich mit grossen Gesten durch die unter seinen Füssen am Boden liegende Leinwand kämpft, zeichnet und aquarelliert Christoph Storz, auf die Blätter seines Tagebuches.
Wilhelm Jägers Malerei gehört zum höchst aktuellen Trend, der "Wildes" und "Ordnendes" in ein Spannungsverhältnis setzt. Die ältesten Werke der Aarauer Ausstellung datieren von 1977. In jenem Jahr nämlich entstanden die ersten "Grenzbereiche", Bilder die dem Konstruktiv-Räumlichen
der früheren Werke eine farbintensive, emotionelle Ebene zuordnen. Der Kampf ums "Bild" wird so direkt in den Bildraum verlagert und im Malprozess ausgetragen, wobei es Werkgruppen gibt, in denen symmetrisch angelegte Holz-Balken-Gerüste den "Sieg" davontragen und bildbestimmend sind, und andere, in denen Form und Farbe nahezu verschmelzen. Jene Werke scheinen die stärksten, in denen Farbe, Raum und Form nahezu (aber nicht ganz) verschmelzen.
© Argus
Ordnung und Chaos-beiderseits Montag 24, März 1886
wb. Mit den kräftig gemalten, expressiven Bildern Wilhelm Jaegers und den «Tagebuchblättern» von Christoph Storz konnten im Kunsthaus am letzten Freitag gleich zwei Ausstellungen eröffnet werden, die sich in der Wirkung klar unterscheiden, dennoch aber Gemeinsamkeiten aufweisen. Nach Beat Wismer, Konservator, kann Wilhelm Jaegers Malerei durch so gegensätzliche Begriffspaare wie Ordnung - Chaos, Notwendigkeit - Zufall, Askese - Exhibition annäherungsweise umschrieben werden. Doch auch Christoph Storz' Bilder sind einem Gegensatz zuzuschreiben: Den Dingen der Welt, die von ihren Abbildern überwuchert werden.
Es fällt - wie so oft und sinnvollerweise schwer, die Malerei von Wilhelm Jaeger mit irgendeinem Etikett zu behängen. Geht das nun in Richtung «konkrete Kunst» oder «Tachismus», was den Maler Jaeger beschäftigt? Gerade für ihn dürfte diese Frage gegenstandslos sein - wenn auch nicht unbedeutend.
Sein Schaffen bedarf, wie bereits ein erster Gang in das Untergeschoss des Kunsthauses zeigt, keines qualifizierenden, ordnungschaffenden Rasters . Augenfällig sind die in der Mehrzahl mit kräftigen Pinselstrichen und mit einem beinahe übermässig scheinenden Farbgebrauch bemalten grossflächigen Bilder. Ihrer Wirkung wird man sich schwerlich entziehen können. Die von ihm gewählten Farbkombinationen weisen darauf hin, dass er intuitiv, zufällig und doch suchend, die Bildgestaltung voranzutreiben pflegt. Nur analytisches Vorgehen ist seine Sache nicht. Aus den Bildern glaubt man die Arbeitsweise ablesen zu können: Wie die erste Farbschicht aufgetragen, mit neuen Farben überdeckt, von teils grellen Farbströmen durchbrochen wurde, um schliesslich zum gewünschten, zum beabsichtigten Ausdruck zu gelangen. Wilhelm Jaeger mag in seiner Arbeit jenem Reisenden gleichen, der den Abschied gibt, ohne genau zu wissen und voraussagen zu können, wo die Fahrt endet.
Annäherungen
Viel entscheidender als die Gewissheit, an den «richtigen» Ort zu gelangen, ist vielleicht der zurückgelegte Weg den man, wie gesagt, auch als Betrachter nachzuvollziehen glaubt. Ein Zufall kann es jedenfalls nicht sein, dass auch die schriftlichen Beiträge im Katalog sich einer Einschätzung und Einordnung Jaegers entziehen. Empfohlen wird Annäherung und vertieftes Schauen. Und darin liegt wahrscheinlich auch die einzige der Kunst eines Jaegers adäquate Rezeption. Verschwiegen sei aber nicht, dass sich dabei mindestens so viele Fragen stellen werden, wie beim intensiven Rundgang zu beantworten sind. Bemerkenswert und faszinierend ist aber die Gesamtwirkung des Ausstellungsgutes, das - wie es Wismer trefflich umschrieb - Gegensätzlichkeiten ausdrückt: Ordnung - Chaos, Konstruktion - Askese, Emotionen - Analysen. Dass das Werk Wilhelm Jaegers nicht auf Zufälligkeiten beruht, obwohl solche mitspielen, zeigt auch der von John Matheson verfasste Kommentar zu ausgewählten Werken im Anhang des Katalogs.
Die Ausstellung über Jaeger ist übrigens ein Gemeinschaftswerk des Aargauer Kunsthauses, der Kunsthalle Mannheim und der Museen in Bochum und Gelsenkirchen. In Aarau ist sie (wie auch die Ausstellung über Storz) bis am 27. April zu sehen.
© Freier Argauer
Jahresprogramm 1986
WILHELM JÄGER
21. März bis 27. April
Der 1941 geborene Zürcher Maler ist in Deutschland wohl bekannter als in seiner Heimat. Auch diese erste Einzelausstellung in einem Schweizer Museum ist in Zusammenarbeit mit der Kunsthalle Mannheim
entstanden. Die zum Teil riesigen Bilder sind heftig und überaus pastos gemalt, aber durchaus streng komponiert. Ausgangspunkt ist meist Architektonisches, das schrittweise - der Künstler arbeitet
immer in umfangreichen Serien - abgebaut wird. Das Verhältnis der beiden Grundelemente der Malerei - Farbe und Form - ändert sich dabei: Die Form steht erst im Vordergurnd, sie wird abgebaut bis die Farbe das Bildgeschehen alleine dominiert. Mit dieser zwar heftig expressiven, gleichzeitig aber auch streng analytischen
Malerei vertritt Wilhelm Jäger eine selbständige und ziemlich einsame Position in der jüngeren Schweizer Kunst.
Beat Wismer,
Konservator Kunsthaus Aarau
© Aargauer Kunsthaus Aarau CH 5001 Aarau Aargauerplatz
Konstruktives - mit Emotionen gemalt 26. März 1986
Wilhelm Jaeger im Aargauer Kunsthaus in Aarau
Im Aargauer Kunsthaus in Aarau ist bis zum 27. April eine Ausstellung mit zahlreichen Werken des 1941 geborenen Zürchers Wilhelm Jaeger zu sehen. Bisher hatte der Maler in der Schweiz kaum grosse Einzelausstellungen, und bekannt ist er vor allem in Deutschland. Die Ausstellung wird denn auch später in Mannheim und Gelsenkirchen gezeigt werden.
Von Niklaus Oberbolzer
Im Foyer und im Untergeschoss des Kunsthauses in Aarau präsentiert sich Wilhelm Jaeger auf mehrheitlich sehr grossen Formaten als Vollblut-Maler, der die Acryl-Farbe in dicken Schichten auf die Baumwollstoffe aufträgt, der die Bilder immer wieder übermalt und damit zu ausgeprägter Oberflächenstruktur, ja oft zu eigentlichen Reliefs in der Malerei gelangt. In früheren Bildern beschränkte er sich auf wenige und dumpfe Töne, in einigen gar auf Grauwerte und Schwarz. In neueren Arbeiten scheinen sich leuchtende, bisweilen grelle Farben in bunter Folge zu wagen: Blau, Grün, Gelb, Rot und Violett etwa prägen Bilder von 1982, deren Format - wie fast durchwegs in dieser Ausstellung - quadratisch ist und die - auch wenn Inhaltliches lesbar wird -im Grund auf konstruierender Beschäftigung mit Formalem beruht. Ables- und identifizierbar sind etwa Kuben und Flächen und damit Architektursituationen (es lässt sich an italienische Stadtlandschaften denken), dann Säulen als Verbindungen zwischen Erde und Himmel; in einigen Arbeiten erinnert Antikes an Architekturteile wie Architrav und Gebälk. Es handelt sich in wieder anderen Bildern auch um Stall- oder Scheunentore mit ihren Rahmungen und Verstrebungen.
Diese Gegenständlichkeit verweist auf Ordnung, auf Festigung und damit auf Konstruktives und Geometrisches. Deutlich unterstrichen wird diese Stossrichtung durch die fast durchwegs sehr strenge Symmetrie der Malereien, die nur in ganz seltenen Fällen das Format des Quadrates sprengen und zum Rechteck ausweiten. Wilhelm Jaeger war einige Jahre Schüler von Johannes Itten in Zürich. Er knüpft damit an der Bauhaus-Tradition und an der «klassischen» Zeit der Schweizer Konstruktivisten an, doch verbindet er nun Symmetrien und Konstruktives, als eine sehr rationale Bildsprache, mit einer ausgeprägt emotionalen Malweise, mit stürmisch wirkendem Pinselduktus, der sich der Kontrolle oft zu entziehen scheint, mit bisweilen an Aufdringlichkeit rührendem Kolorit. Der Betrachter mag da an den Versuch einer Synthese zwischen zwei weit entfernten künstlerischen Positionen denken, an die gegenseitige Kontrolle zweier Extremwerte oder an ein Schwanken zwischen den Positionen ohne Entscheidung. Vielleicht aber ist das alles gar nicht gemeint als Entscheidung für das eine oder andere, sondern als ein Nachdenken über das Malerische mit den Mitteln der Malerei, und damit in dieser Form auch als ein Spiel mit der Gegensätzlichkeit von Ordnung und Chaos. Das grosse Werk Jaegers zeigt, dass der Maler das mit Leidenschaft betreibt.
© Vaterland Nr.71 / Kultur
Gestische Farbordnungen 2. April 1986
Es scheint sich einzubürgern: Seit Anfang Jahr finden im Kunsthaus Aarau lauter Deutschschweizer Premieren statt. Die beiden Welschen Rivier und Mosset waren nie zuvor in der deutschsprachigen Schweiz gezeigt worden, und auch die Präsentation für Wilhelm Jaeger und Christoph Storz sind Schweizer "Uraufführungen". Und es wird so weitergehen mit Ausstellungen für Klaudia Schifferle, Felix Stephan Huber, Beat Streuli, Aldo Solari, Erich Busslinger, Rudolf Härdi im Laufe des Jahres. Der neue Konservator, Beat Wismer, verrät Stück: um Stück sein Konzept.
erz. Die kürzlich eröffnete Schau ist erneut eine «Konfrontation», eine Ausstellungsform, die auch Heiny Widmer seinerzeit an den Anfang seiner Kunsthaus-Zeit stellte. Konfrontiert werden Malerei und Zeichnung der achtziger Jahre. Während Wilhelm Jaeger sich mit grossen Gesten durch die unter seinen Füssen am Boden liegende Leinwand kämpft, zeichnet und aquarelliert Christopt Storz auf die Blätter seines Tagebuches. Obwohl die beiden Künstler nur 10 Jahre Altersunterschied aufweisen, sind sie doch sehr verschieden geprägt: Der 48jährige Zürcher Künstler Wilhelm Jaeger ging den Weg zur Malerei ohne Umwege; schon mit 16 Jahren begann er sein Kunststudium an der Kunstgewerbeschule Zürich (Lehrer: Ernst Gubler, Heinrich Müller, Johannes Itten). Die prägende Formation fand also bereits um 1960 statt, als in Zürich die Konkreten und die Tachisten Kunst-Tagesgespräch waren. Christoph Storz hingegen sagte von sich, die Konzept-Kunst stehe am Anfang seiner künstlerischen Bemühungen.
Diese diametral verschiedenen Stilprägungen mussten zu Werken führen, die kaum vergleichbar sind, dennoch gehören beide mitten in unsere Zeit. Wilhelm Jaegers Malerei ist Teil des höchst aktuellen Trends, der «Wildes» und «Ordnendes» in ein Spannungsverhältnis, setzt. Weil es nicht zu den Stärken der Schweizer Malerei gehört, malerische Felder im Grenzbereich zwischen Abstraktion und Ungegenständlichkeit zu schaffen, wundert es nicht, dass Wilhelm Jaeger seine erste Museumsausstellung in einem deutschen Museum, in Bonn hatte, ist seine Malerei doch deutschen Beispielen mehr verwandt als schweizerischen. Auch die laufende Ausstellung geht auf eine Initiative der Kunsthalle Mannheim zurück, wo die Jaeger-Schau Ende Jahr gezeigt wird. (daher die Möglichkeit, einen grösseren Katalog herauszugeben).
Jaeger zeigt in Aarau Werke seit 1977. In jenem Jahr nämlich entstanden die ersten "Grenzbereiche", Bilder die dem Konstruktiv-Räumlichen der früheren Werke eine farbintensive, emotionelle Ebene zuordnen. Der Kampf ums «Bild» wird so direkt in den Bildraum verlagert und im Malprozess ausgetragen, wobei es Werkgruppen gibt, in denen symmetrisch angelegte Holz-Balken-Gerüste den «Sieg» davontragen und bildbestimmend sind, und andere, in denen Form und Farbe nahezu verschmelzen. Persönlich scheinen uns jene Werke die stärksten, in denen Farbe, Raum und Form nahezu (aber nicht ganz) verschmelzen.
Die Ausstellungen dauern bis zum 7. April
© Zofinger Tagblatt
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