Wilhelm Jaeger

Museum Rietberg

Tiere im Museum Rietberg

"Für diesen Aufsatz bekam ich den ersten Preis mit der Unterschrift des Stadtpräsidenten von Zürich Dr. Emil Landolt"

Tiere im Museum Rietberg

Amerika

Ameisenbär?,Alt-Peru, Chancay-Kultur:

Im Saal der amerikanischen Kunstwerke fiel mir eine sonderbare Plastik auf: Vermutlich stellt es einen Ameisenbären dar. Sein Rüssel ist ziemlich kurz.

Der Körper ist bauchig. Die Beine sind kurz und kräftig, der Kopf ist klein und die Füsse dreizehig. Horchend hat er die Ohren aufgestellt.

Dieses uralte primitive Werk ist schön und kühn vereinfacht.

Indien

Drachenkopf:

Gewaltig, wild und erschreckend ist dieser indische Drachenkopf. Er reisst seinen Rachen auf und zeigt seine fürchterlichen Zähne.

Beängstigend rollt er die Augen. Die sagenumwobene Gestalt des Drachens spukt in fast allen Ländern des Abend- wie des Morgenlandes. Ein Sinnbild des Bösen.

China

Liegender Hund, Han-Zeit, 206 v. Chr.-220 n. Chr.

Der Künstler wollte vielleicht einen Hund beim Anbellen eines Menschen zeigen. Sein schalkhafter Blick, vermischt mit einem freudig-dankbaren Aufblicken zu seinem Herrn, hat mir es angetan. Bei längerem Betrachten fiel mir noch ein anderer Ausdruck auf: Der mit offenen Maul in Betrachtung seines Leckerbissens versunkene Feinschmecker....

Huhn, T'ang-Zeit, 618-906

Die Farbtöne dieses fast lebend scheinenden Huhnes spielen von Hell- zu Dunkelgrün und von einem zarten Orange zu Ocker.

Ein schönes Linienmuster kennzeichnet die Schwanzfedern. Bei einer guten Beleuchtung verlaufen diese Pastellfarben fast ineinander

und das ergibt dann ein herrliches Farbgemisch.

Zur Beschreibung der chinesischen Werke:

Schwer beladenes Kamel, knieend, T'ang-Zeit:

Das Lasttier des Orients, das Kamel, trifft man oft in der morgenländischen Kunst an. Diese Plastik zeigt das ganze Elend, das ein Tier, wenn es von

seinem lieblosen Herrn misshandelt wird, erdulden muss. Flehend blickt es mich an: Sieh' mein Leid, hilf mir!

Für die Nomadenvölker bist Du ein nützliches Haustier. Ohne Dich wäre das Bewohnen der kargen, endlosen Wüste überhaupt nicht möglich

Widder, Sandstein, 7.- 9.Jhdt.

Voller Würde liegt der vielfach als Wappentier benutzte Widder da.

Von den Schafarten besitzt er die längsten Hörner (Sie sind mit mit anderthalb Windungen von vorn nach hinten gekrümmt.)

Die Vorderbeine hat er angezogen. Mich erinnert diese majestätische Plastik an eine Sphinx. In seinem Ausdruck liegt etwas Weises, Wissenendes, Geheimnissvolles.

Einhorn, Bronze vergoldet, China, 16.-17. Jhdt.

Das zarte Tier kniet auf den Vorderbeinen mit erhobenem Kopf, während die Hinterbeine gespreizt sind. Die Ohren stehen vom fein modellierte Kopfe ab, das "Eine" Horn ist gebogen.

In der Stellung finde ich dieses Einhorn natürlich und anmutig. Das Einhorn gehört wie der Drache dem riesigen, düsteren Reiche der Fabel an.

Japan.

Phönix, Holz mit Resten farbiger Bemalung, um 620.

Vor mir hängt dieser aus der ägyptischen Sage stammende heilige Vogel.

Alle fünfhundert Jahre soll er sich verbrannt haben und danach wieder jung aus der Asche erstanden sein. Das Sinnbild der Unsterblichkeit.

Diese interessante Tierplastik weist reich verzierte Flügel auf. Als Ornament nahm der Künstler ein fein abgewogenes Linienmuster.

Der Schnabel gleicht einem Rüssel. Seine Schwanzfedern sind gewölbt und dreiteilig. Man meint geradezu, er würde blindlings, kopfvoran,

zur Erde niederstürzen. Die Farbreste zeigen eine ehemals in rotbraunen Tönen gehaltene Bemalung.

Zur Beschreibung der japanischen Werke:

Affenbilder

von SOGA NAGAYOSHI

(TRIPTYCHON, Japan, 16. Jhdt.)

Dieses fröhliche und grossartig gemalte dreiflügelige Werk, zeigt das unbeschwerte und glückliche Leben, der in der Freiheit, im Urwald, lebenden Affen.

Auf dem ersten Bild erblicke ich einen der Spassmacher, wie er sich furchtlos, auf einem steilen Felsen sitzend, entlaust. Darunter gähnt ein Abgrund.

Das zweite Werk zeigt ebenfalls die Sorglosigkeit eines Affenlebens: Der Eine sitzt auf einem hohen, turmartigen Fels, während sein Kamerad sich in etwas

tieferen Regionen - weniger kühn, dafür bequemer - nieder gelassen hat. Träumerisch blickt er den lustigen Wellen eines Bergbaches nach.

Das Dritte der meisterhaften Bilder Nagayoshis führt uns beschaulich ein Familienidyll vor Augen:

Die gute Mutter wiegt ihr kleines Kind in den Armen, während sich Herr Papa wohlig und mit sich und der Welt zufrieden, in den warmen Strahlen der Sonne räkelt

und dabei einer in den vielen Mussestunden seines Affenlebens eifrig betriebener Arbeit nachgeht ...dem Entlausen!

Die Farben dieses Triptychons spielen in Grau und Schwarz. Ich vermute, dass es mit Tusche gemalt worden ist.

Afrika

Kopfbedeckung der Bambara, Westsudan:

Diese fremdländische Kopfbedeckung stellt meiner Auffassung nach, einen Hund mit zwei langen Hörnern und spitziger Schnauze dar.

Fast abstrakte Verzierungen schmücken den Leib. Lustig sind die nahe beieinander liegenden Augen. Es ist etwas Grosses und Gewaltiges, wie diese primitiven Völker ihre Gebrauchsgegenstände mit Tierplastiken oder Götterstatuen zu schmücken wissen.

Vogelfigur der Barotse, Südafrika.

An einen Marabu hat mich dieser stolze Vogel erinnert. Die Schwanzfedern sind in Dreiecksform geschnitzt. Die Augen sind weit zurückliegend.

Der Primitive musste die Gestalt dieses Vogels genau studiert haben um ihn dann so kühn zu vereinfachen.

Zur Beschreibung der afrikanischen Kunstwerke:

3 Tiermasken:

1.) Schweinemaske als Feldzauber, Bambare, Westsudan.

Wahrscheinlich wurden diese Masken bei Tänzen und Geisterbeschwörungen getragen.

Die Schweinemaske ist seltsam und mutet ganz modern an:

Ein ziemlich langer Rüssel, grosse, rechteckige Augen, lange spitzige Ohren und auf dem Kopf ein kurzes, stumpfes Horn.

2.) Stiermaske aus Kamerun.

Von einem Stier im Sinne der Natur kann man hier nicht sprechen.

Zuerst tippte ich auf eine Wolfsmaske, doch bei längerem, genauen Betrachten sah ich, wie gut der Mann das Tier beobachtet haben muss,

um es nachher für seine Maske so grosszügig zu vereinfachen.

3.) Elefantenmaske der Bambara, Westsudan.

Von den dreien hier kurz besprochenen Tiermasken wurde an der Elefantenmaske am weitesten gegangen, in der Vereinfachung der Natur:

Ein sehr langer, fast rechteckiger Rüssel, aus dem in einer Linie folgend, die nach aussen gebogenen Ohren wachsen und ganz kleine,

viereckige Augen wirken in ihrer Schlichtheit formvollendet.

Weibliche Antilope mit dem kleinen Sohn, Minianka, Westsudan.

Beim Muttertier sind vor allem Ohren, Hals und "Rüssel" betont lang gehalten, den Gegensatz dazu bilden die kurzen Beine. Auf dem Rücken trägt sie ihr Junges, welches einen geschweiften Hals und ebenfalls lange, am Ende gebogene Hörner besitzt. Lustigerweise hat der Künstler der jungen Antilope die Augen weggelassen. Diese bizarre Plastik finde ich grossartig in der Gegenüberstellung von Hoch und Nieder, Breit und Schmal.

Es soll Stämme geben, die dieses Wüstentier vor der Geburt eines Kindes halten, damit das erwartete Kind, Augen von der dunklen Schönheit des Antilopenauges bekommt.

Neu-Guinea

Vogel aus dem Sepik-Gebiet.

Seltsam langgezogen ist dieser Vogel. Alles ist schmal und sehr lang. Er sieht aus, wie wenn er von einem Pfeil getroffen wäre und jetzt senkrecht zu Boden stürzen würde.

Hals und Schnabel sind dünn und lang, die Beine gleichen denen eines Storchen. Seine Flügel weisen sehr schöne, verschlungene Ornamente auf.

Originell ist es, wie dieser Künstler die Gestalt des Vogels in die Länge gezerrt hat, und doch einen herrlichen Vogel geschnitzt hat.

Melanesien

Häuptlingssitz aus Melanesien:

Dieser interessante und fremdländische Stuhl hat mich auf den ersten Blick gefesselt:

Zu beiden Seiten der Sitzgelegenheit befindet sich ein geschnitzter Kopf eines furchterregenden, greulichen Fabeltieres.

Es reisst seinen Rachen auf und zeigt seine vielen grossen und scharfen Zähne. In der Mitte des Stuhles ist ein Tierskelett gemalt.

Die Farben dieses vornehmen Sitzes sind ein stumpfes Rostrot, welches bis in kaltes Braun spielt, gebrochenes Weiss und tiefes Schwarz.

Spielerische Ornamente heben sich prachtvoll vom dunkeln, schweren Grunde ab.

Zum Schluss möchte ich noch von vier chinesischen Tierbildern erzählen, die mir besonders gefallen haben:

1. Gänserich mit jungem Gänschen im Schilfe

(Farben auf Seide, 15. Jhdt.)

Dieses stille und hauptsächlich in grünen Farben gehaltene Bild, zeigt den täglichen Gang dieser Tiere zum Wasser.

Wunderbar abgestimmt zum Grün des Grundes ist die Farbenskala von Weiss im Gefieder des Gänserichs. Das Junge trottet brav neben seinem Beschützer daher.

Dieses Gemälde strahlt eine grosse Ruhe und Zufriedenheit aus.

2. Blumen, Vögel und Katzen

(Auf Seide, China, 17 . Jhd.)

Beim ersten Betrachten dieses wunderschönen Bildes fallen mir herrliche weisse Blumen auf, sie haben Ähnlichkeit mit den Lotosblumen. In den zartgetönten, bräunlichen Grund ragt ein dürrer Ast, darauf sitzen zwei Vögel. Zwei Kätzchen, ein Braunes und ein Graues, lauern im Gebüsch am Fusse des Stammes. Das braune Kätzchen verdreht den Kopf, damit es die armen Opfer in schwindelnder Höhe, auf dem Zweige erblicken kann. Die andere Katze beobachtet fragend, mit gierigem Ausdruck, ihre Gespielin. Mir scheint, als sei sie im Begrifte diese zu fragen: 'Wollen wir uns diesen Vogel dort oben holen?"

zu den chinesischen Tierbildern:

3) Kater und Katze in nächtlicher Landschaft.
Auf Seide, China-Schule, frühe Ming-Zeit.

Fast an ein Werk des berühmten schweizerischen Katzenmalers Gottfried Mind hat mich dieses überaus anmutige Bild erinnert.
Man könnte dieses Gemälde mit dem modernen Titel "Ein spätes Rendezvous in nächtlicher Einsamkeit" überschreiben.

Die Farbtöne dieses Werkes spielen in Braun, Grau und gebrochenem Weiss. Beim Betrachten dieses Bildes hört man geradezu das Miauen

und Mauzen in der feierlichen Stille dieser braunen Nacht.

4) Kraniche und Lotosblumen.
Auf Seide, China.

Vor einem zarten bräunlichen Hintergrund entfalten sich prächtige weisse und rosarote Lotosblumen, dem Buddhisten ein Sinnbild für Schönheit und ewige Jugend.

..Es ist brütende Hitze im Sumpf. Über diese geheimnisvollen Blumen kreisen Kraniche. Die langbeinigen Tiere suchen hier ihr Futter. Einer der neun herrlichen weissen Vögel steht im seichten Wasser und hält einen zappelnden Frosch im Schnabel. Jetzt hört man gurrende Laute in der Ferne. Sonst ist es still.

Ausklang.

Überhaupt habe ich an den Tierbildern, welche ich hier beschieben habe, eine gewisse Vornehmheit und Zurückhaltung in der Farbgebung bemerkt. Kein knalliges Rot, Blau oder Gelb.

Alles sind es feine, zarte Farben, welche den Bildern den Reiz geben und an eine etwas wehmütige aber doch erhabene Melodie erinnern. An die zauberhaft schillernden Töne

eines auf einer Flöte gespielten Hirtenliedes vielleicht.

Doch Jetzt bin ich ins Träumen geraten...

Text: Wilhelm Jaeger / Tiere im Museum Rietberg

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